Mittwoch, 4. Januar 2012

Gibt's einen Unterschied zwischen Schreien und Weinen?

... Ich meine: ja. Um den (o.g. Unterschied) zu erkennen, muss man über sein Kind natürlich gut Bescheid wissen. Unterschiedliche Ausprägungen des Weinens werden in den ersten zwei Jahren vermutlich sowieso kein Thema sein, da die Kinder in der ersten Trotzphase (von Jesper Juul auch Selbstfindungsphase genannt) das Weinen noch nicht bewusst einsetzen. Manche vielleicht schon, aber in der Regel eher nicht. Bei Melly war es jedenfalls nicht der Fall bis etwa kurz vor ihrem dritten Geburtstag.
Etwa mit 33 Monaten fiel uns auf, dass sie anders weint, wenn sie etwas durchsetzen möchte, aber keine wirkliche Not dabei empfindet. Zuletzt wollte sie am späten Abend baden, doch der Wunsch wurde ihr mit guter Begründung (die gar nicht nötig gewesen wäre) von ihrer Mama verwehrt. Sie weinte, auch die Tränen liefen, doch es war dieses typische "ich kann meinen Willen nicht durchsetzen"-Weinen. Nach meheren Minuten durfte der Papa sie auf den nächsten Morgen ver-trösten.
Eine Woche später wollte sie (wieder spät abends, aufgrund d. Müdigkeit eine schwierige Zeit) mit Wasserfarbe farben malen, was ihr wiederum verweigert wurde. Auch hier dasselbe Weinen, sehr lautstark und mit vielen Tränen verbunden, aber wieder nicht aus einer wirklichen Not heraus. Auch hier griffen wir nicht ein und lenkten nicht ab. Nach 3-4 herausfordernden Minuten (schließlich schlafen kleine Kinder genau unter uns) war der Spuk vorbei.
Den Klöters Briefen zufolge soll man allerdings im Falle einer wirklich Not dem Kind den Willen gewähren. Auch dies ist heutzutage verpönt, aber wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Den Unterschied zwischen der leichten und wirklichen Not zu erkennen - das ist die Kunst und hängt letztlich mit Erfahrung und Achtsamkeit zusammen.