Sonntag, 29. Mai 2011

Was können Kindern schon entscheiden?

R. Rike - Pixelio.de
Wieviel Entscheidungskompetenz traue ich einem zweieinhalbjährigen Kind zu? Kann es selbst entscheiden, was es anziehen mag, oder muss es das anziehen, was Mama (oder Papa) ihm vorschreiben? Kann es selbst entscheiden, ob es in die Windel oder ins Töpfchen pullern mag, oder muss man ihm einfach sicherheitshalber immer eine Windel anziehen bzw. zwangsweise auf den Topf setzen? Und kann es zum Beispiel auch selbst entscheiden, ob es rutschen mag - oder braucht es da immer wieder den Anporn seitens der Eltern?
Unsere subjektive Antwort: Ja, sie kann. Wir glauben, dass ein 27 Monate altes Mädchen weiß, was es anzieht, ob es Windeln braucht oder wann die richtige Schlafenszeit ist. Denn: Wir haben es erlebt, erfahren, gesehen und gelernt. Ist Melly besonders begabt? Nein, wir wollen sie nur nicht zum angepassten Mitläufer erziehen, der alles tut, weil es ihm so "anerzogen" wurde. Sei es durch Zwang, Disziplinierung oder sanfte Gewalt. Alles geht auch freiwillg, auf natürlichem Wege und von ganz allein. Allerdings dauert es manchmal länger. Das muss man aushalten können bzw. in Kauf nehmen.

Thema Kleidung: Melly sucht sich inzwischen seit mindestens vier Wochen ihre Klamotten selbst aus. Sie hört sich unsere Vorschläge und Argumente an ("zu heiß, zu kalt, nimm doch lieber eine kurze Hose"), manchmal richtet sie sich danach, manchmal nicht. Wenn's ihr dann doch zu heiß ist, zieht sie sich recht bald das Langarm-Shirt über dem T-Shirt aus. Wenn's zu kalt ist, nimmt sie dann eine Jacke, wenn sie friert. Vorher zwingen wir sie nicht. Wird sie krank? Bislang nicht. Natürlich darf sie im Winter nicht barfuß raus, Grenzen setzen wir durchaus. Aber nur so viele wie nötig. Wir sind immer wieder überrascht, wie kompetent Melly ist und wie wenig wie wirklich eingreifen müssen...
Übers Sauberwerden hab ich schon des Öfteren geschrieben - zurzeit läuft's mal wieder nicht so rund (zuhause). Melly möchte keine Windel und nicht auf den Topf, also macht sie (nackig) aufs Parkett und wir wischen mit der Stoffwindel auf... Das ist nicht unbedingt lustig und ich hab oft genug genörgelt. Vorgestern wünschte sich Melly: "Papa soll zum Pipi machen nix mehr sagen... " Mit anderen Worten: Papa, ich weiß selbst, wann der richtige Zeitpunkt ist zum Sauberwerden. Ich bin noch nicht so weit, bitte respektiere das. Im Freien zieht sich sich inzwischen die Hose selbst runter und macht hinter einem Baum oder sie geht auf die Kindertoilette (in ihrer Kindergruppe).
Das Thema "Ansporn zum Rutschen": Ich wünsche mir schon lange, dass Melly Spaß am Rutschen hat und sporne sie immer wieder an. Trotzdem mag sie's nicht, ist unsicher und steigt oft wieder runter von der Rutsche, wenn sie oben ist. Heute hat mich die Geschichte von Puncinello "Du bist einmalig" mal wieder daran erinnert, wie wichtig es ist, so angenommen zu werden, wie man ist... Denn so hat es der Schöpfer gewollt. Er wollte Melly genauso haben, wie sie ist. Sie braucht keinen Ansporn von mir, wenn sie mehrfach klar anzeigt, dass sie etwas nicht mag...

Donnerstag, 19. Mai 2011

Sauber werden ohne Manipulation

Brederhorn/Pixelio
Meine Schwiegermutter lobt unsere über den grünen Klee. Und dabei wirkt sie so authentisch, liebevoll und ermutigend, dass es mir glatt die Sprache verschlägt. So hat sie es wohl früher auch bei ihren eigenen Kindern gemacht. Toll - denken sich sicher viele, was für eine Super-Mama-Oma... Oder nicht? Eher nein, ist da unsere Einstellung, denn Lob ("Hast du ganz toll gemacht") manipuliert den noch unverbildeten Geist eines Kindes. Ich zwinge ihm damit auf eine raffinierte (oberflächlich liebevolle) Weise meinen Willen auf. Darüber hinaus fördere ich damit die Abhängigkeit des Kindes von lobenden Worten. Die Programmierung lautet: Nur, wenn ich gelobt werde, bin ich richtig, bin ich gut, bin ich liebenswert. Oder im Umkehrschluss: Wenn ich nicht gelobt werde, mach ich etwas falsch und bin nicht mehr (so) liebenswert. Mein gesunder Menschenverstand und Jesper Juul sagen hier: Stopp, so nicht.
Konkretes Beispiel: Das Sauberwerden oder der freiwillige Gang aufs Töpfchen/aufs Klo. Ich wünsche es mir sehr, schon mindestens ein Jahr. Seitdem Melly keine Windeln mehr tragen möchte. Nachts klappt das ja schon lange, aber tagsüber nicht.
Zu Weihnachten hat sie eine Woche lang bei Oma und Opa immer ins Töpfchen gemacht. Wir fanden das klasse. Endlich. Als wir zuhause waren, ging's wieder rückwärts. Bis heute hat sie die 100%-Quote nie mehr erreicht. Wir wissen jetzt: Sie hat das zu Weihnachten nur Oma und Opa zuliebe gemacht, und nicht, weil sie es von sich aus wollte. Genauso zuhause: Wenn sie meine Dringlichkeit spürt, ich sie also mehr oder weniger unter Druck setze, macht sie es mir zuliebe. Wenn ich bei dem Thema gelassen bleibe, dann zeigt sie ihr wahres Bedürfnis: Ich will nicht immer aufs Töpfchen gehen, ich bin doch erst 28 Monate alt. Und ich will, dass du mir das überlässt, wann ich sauber werde. Ich weiß, dass es dir wichtig ist, aber ich brauche noch Zeit.
Seitdem ich da gelassener bin und nicht mehr schimpfe, geht sie wieder viel öfter selbständig und freiwillig auf den Topf, und das ganze Thema ist eigentlich kaum noch eines. Selbst, wenn sie in die Hose macht, zeigen wir ihr: Es ist okay, wir wünschen uns zwar, dass du rechtzeitig Bescheid gibst, aber es ist okay, du bist okay, wir haben dich lieb. Auf diese neue Einstellung bin ich inzwischen mehr stolz als wenn sie jetzt schon sauber wäre. Sie wird's von ganz allein, zu dem für sie richtigen Zeitpunkt und ohne von uns manipuliert zu werden.

Mittwoch, 18. Mai 2011

Erkennen, was Sache ist - nicht gleich urteilen - Teil 2

Springfloh in Aktion
Melly dreht spät abends häufig noch mal so richtig auf - springt auf ihrer Matratze rum und läuft durch die Wohnung. Anfangs dachten wir: was ist denn jetzt los - sie will partout nicht ins Bett und pusht sich noch mal noch. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Sie macht sich dadurch müde. Wir wissen es inzwischen aus unserer genaueren Beobachtung und weil sie's und gesagt hat. Und das mit 27 Monaten! Vor dem endgültigen Zubettgehen braucht es allerdings trotzdem noch mal mehrere Minuten der Ruhe - unser Ritual: Buch anschauen ... ganz klassisch also. Sie geht übrigens immer noch völlig freiwillig und gern zubett - wenn auch spät :)

Sonntag, 1. Mai 2011

Grenzen setzen - wie schwer ist das denn?

aboutpixel.de/Konstantin Gastmann

Sauschwer. Jedenfalls für uns. Jetzt, mit 28 Monaten, kracht's so richtig zwischen Melly und uns. Es scheint, als kämen wir ohne Konsequenzen nicht (mehr) weiter. Z.B.: Wir wollten am heutigen Sonntag (1.5.) in den Zoo nach Augsburg, Melly will eigentlich mit, aber bummelt und trödelt und will sich nicht anziehen (lassen). Also klare Ansage: "Mama macht noch einen Versuch, dich anzuziehen, und wenn du nicht mitmachst, dann bleiben wir eben hier." Das wirkte. In diesem Fall war das laute "NEIIIIN!" zu unseren Gunsten auszulegen, denn sie wollte mit und ließ sich anziehen... Alles freiwillig, versteht sich :)
Interessant war auch die Situation vor drei Tagen: Sie wollte unbedingt barfuß auf der Straße laufen, obwohl es gegen 18.30 Uhr trotz Sonnenschein höchstens zwölf Grad kühl war und es tagsüber geregnet hatte. Es war kein Barfuß-Wetter wie am Oster-Montag, als wir alle drei ohne Schuhe über eine kaum befahrene Straße hin- und hergelaufen waren. Unser "Nein" verursachte minutenlanges, beinahe hysterisches Weinen, ihre Vorstellungen und Bitten wurden immer absurder und unser Nein immer heftiger.
Die Deeskalation gelang durch die Mediation ihres Kuschelhasen, der mit ihr sprach (eigentlich war's ja der Papa) und ihr Verständnis entgegenbrachte, so dass erst mal das Weinen aufhörte. Schließlich gingen wir drei (Melly, der Hase und der Papa) vor die Haustür, Melly barfußwo sie sehr schnell merkte, dass es ihren Füßen zu kalt wurde und sie sich ohne zu Murren bereitwillig Schuhe und Socken anziehen ließ. Konflikt beendet, Lektion gelernt :0>