Montag, 28. März 2011

Achtsamkeit ...

... gibt's auch schon bei Kleinkindern. Selbst dann, wenn eine bestimmte Handlung gar nicht vorgemacht oder spzezifisch eingeübt wurde. So geht Melly ausgesprochen vorsichtig mit einem Buttermesser um und reicht es einem von uns mit dem Griff zuerst, wie man das sonst nur von Erwachsenen mit "guter Kinderstube" zu kennen vermeint. Natürlich haben wir ihr den Respekt vor einem Messer oder einer Schere schon sehr früh vermittelt. Aber wie man ein Messer einer anderen Person reicht, hat sie sich womöglich bei uns oder in ihrer Mäusegruppe abgesehen, aber direkt gezeigt wurde es ihr nie.

Maria Montessori schreibt dazu: "Wie wir bei unseren Kindern aber allgemein festelstellen können, ist, dass hinter ihren Handlungen eine Umsicht steht, die es ihne möglich macht, Gefahren zu meiden und doch in deren Mitte zu leben. Hierher gehört die Handhabung von Messern bei Tisch und in der Küche, der Umgang mit STreichhölzern und Beleuchtungskörpern, der unbeaufsichtigte Aufenthalt an Gartenteichen, das Überschreiten einer Straße in der Stadt. Kurzum, unsere Kinder (alle über 6 - Anm. d. Autors) haben ihre Handlungen und zugleich ihren Wagemut in der Kontrolle und so gelangen sie zu Ruhe und Überlegenheit..." ("Kinder sind anders", S. 240)

Donnerstag, 24. März 2011

Jean Liedloff...

J. Liedloff (C. Concept)
... ist gestorben. Schon vor einer Woche - laut Wikipedia am 15. März, nach langer schwerer Krankheit. Für uns war sie der Wegbereiter, ihr Buch "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück: gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit" hat uns gleichermaßen sensibilisiert und elektrisiert. Ihre Beobachtungen bei den Naturvölkern im Urwald scheinen uns nicht nur logisch, sondern absolut nachvollziehbar und auch in unserer Gesellschaft umsetzbar - wenn man will. Ich zitiere aus Wikipedia (der Einfachkeit halber):
* konstanter körperlicher Kontakt mit der Mutter (oder anderen Familienmitgliedern) vom Zeitpunkt der Geburt an,
* das Schlafen im Familienbett, bis sie es von sich aus verlassen (oft im Alter von zwei Jahren),
* Stillen nicht nach Zeitplan, sondern nach Bedarf,
* das ständige Tragen auf dem Arm oder anderer Kontakt mit jemanden, üblicherweise der Mutter, und die Möglichkeit zu beobachten (auch: gestillt zu werden oder zu schlafen) während der Träger seinen Tätigkeiten nachgeht, bis das Kind zu krabbeln beginnt, üblicherweise im Alter zwischen sechs und acht Monaten.
* Betreuer sollten unmittelbar auf die Signale der Kinder (wimmern, schreien) reagieren, dies ohne Missmut oder Abwertung der kindlichen Bedürfnisse, aber auch, ohne das Kind zum ständigen Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu machen,
* Kinder, die spüren, dass sie willkommen und wertvoll sind, werden die Erwartungen der Eltern fühlen (und erfüllen), also sozial und kooperativ werden und ein starkes Selbstbewusstsein entwickeln.

In ihrem Buch wird das, was Liedloff später psychotherapeutisch das "Continuum Concept" (CC) nannte, noch "etwas" ausführlicher beschrieben. Nach 27 Monaten des Ausprobierens glaube ich sagen zu können: Liedloff hatte nicht unrecht, auch wenn manche ihr CC mit antiautoritäter Erziehung gleichsetzen oder keine guten Erfahrungen damit gemacht haben wollen. Unsere Erfahrungen sind bisher zu 100% positiv, und wenn sie es mal nicht sind, dann haben wir etwas nicht gut oder richtig umgesetzt. Leider gibt's immer noch genug, die dagegen argumentieren: "Jedes Kind ist anders, jeder nach seiner Facon..." Stimmt und stimmt nicht. Wer die o.g. wenigen Grundsätze beherzigt, dessen Kind profitiert ohne Wenn und Aber. Und innerhalb dieser Grundsätze gibt's genügend Spielraum für Individualität.
So, was das mir wichtig, auch wenn's kein Schwein liest.

Jean: May You Rest In Peace. Thank you!

Montag, 21. März 2011

Freiwilliges Schlafen

R_K by ich (Pixelio)
Für uns ist Mellys Aussage "Heia Bettchen gehen" seit Monaten ganz normal. Entweder will sie dann im Bett spielen und oder kuscheln oder eben schlafen. Das Bedürfnis, schlafen zu gehen, äußert sie schon seit mindestens einem Jahr - sie ist jetzt 27 Monate alt. Was für uns Normalität ist, scheint für manche ein kleines Wunder: "Ein Kind, das freiwillig ins Bett geht und das auch artikuliert ist mir noch nicht begegnet", sagte Mellys Onkel, als das Kind am Geburtstagsabend seiner Oma Anfang März sich um 20 Uhr ins Bett verabschiedete. Für mich war sein ungläubiges Erstaunen jedenfalls eine ermutigende Bestätigung, dass wir auf einem guten Weg sind...

Sonntag, 13. März 2011

Zitate von Jesper Juul ...

... aus einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (19./20. Februar):
"Wenn die Erwachsenen nicht genug Zeit für sich selbst haben und die Eltern nicht für sich als Paar, dann widmen sie den Kindern unter Garantie zu viel Aufmerksamkeit. Kein Kind will Aufmerksamkeit. Es braucht Beziehung, will am Leben seiner Eltern teilhaben."

"Kinder müssen auch lernen, wie man wieder runterkommen kann. Man kann seiner Kindern sagen: Ich bin gestresst heute. Kannst du mir helfen? Dann nimmt man die Hand des Kindes und legt sie sich auf den Bauch und atmet einfach ein paar Minuten. Später kann man das ungekehrti machen. Willst du eine Hand? Und dann hat das Kind etwas sehr Wertvolles gelernt."

"... dabei kann ich mir vornehmen, meine Kinder in den kommenden Wochen einfach zu genießen. Dann lerne ich, dass es auf meine Haltung ankommt. Was Kinder wirklich brauchen, ist, dass sie einfach nur dabei sein und die Eltern sich über sie freuen."

"... Wir sind einfach Vorbilder, punktum. Es gibt kein richtig und falsch. Kinder haben kein Problem mit Fehlern, solange wir die Verantwortung dafür übernehmen un dzu zunseren Grenzen stehen. Wenn Eltern das nicht tun, fühlen sich die Kinder schuldig. Das meiste, was wir heute gut machen, haben wir doch durch schlechte Vorbilder gelernt, von denen wir sagen: So will ich nicht sein."

"Der gemeinsame Lernprozess zwischen Eltern und Kind/ern macht sehr gute Beziehungen - nicht das sog. richtig oder falsch machen. Wenn ich der Lehrer bin und das Kind der Schüler, haben wir keine Beziehung, dann spielen wir Rollen. Das heißt nicht, dass die Kinder die Autorität haben sollen. Es heißt nur: Nimm das Feedback von deinem Kind ernst."

"Kinder brauchen führung. Sie sind gleichwürdig, aber nicht gleichberechtigt. Sie brauchen Eltern, die mehr oder weniger wissen, was sie wollen. Die Grenzen sollten sich aber nicht aus Konventionen ergeben. Es sollten persönliche Grenzen sein. Es ist völlig okay zu sagen: Ich will keine Geschichte vorlesen, ich bin müde."

"Belohnung ist die postmoderne Version von Bestrafung. Das schafft keine Nähe-Beziehung. Das ist ein Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeiter."

"Mit Reden, Ehrlichkeit und Authenzität hat man Erfolg bei Kindern und hilft Ihnen, sich zu mental und psychosozial gesunden Erwachsenen zu entwickeln. Mit dieser Art von Beziehung kann man z.B. Drogen- oder Mediensucht im Kindesalter vorbeugen. Es braucht gegenseitigen Respekt und eine gemeinsame Sprache - und das nicht erst, wenn das Kind in der Pubertät ist, denn dann ist es meist schon zu spät..."

"In der Autonomiephase fangen kinder an, Selbstvertrauen aufzubauen. Wenn sie immer wieder neun sagen, heißt das nichts anderes als: Ich b in autonom. Wenn man das so hinnimmt, passiert nichts. Aber wenn man es persönlich nimmt, wird es schwierig. Dann beginnt der Kampf."

"Die Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen basieren auf denselben Elementen wie bei Erwachsenen: Es geht darum, anwesend zu sein, mit dem anderen im Gespräch zu stehen, den anderen zu akzeptieren."

"Wenn ein Kind fünf Minuten zum Anziehen bekommt, muss man es in diesen Minutren gewähren lassen und nicht weiter auf es einrede. Wenn Kinder keine Möglichkeit haben, nein zu sagen, können sie nicht ja sagen. Dann sind sie reine Befehlsempfänger. Das macht sie zu Soldaten und sie spüren, dass ihre Meinung nichts zählt. Es ist ungeheuer wichtig, dass Eltern über sich selbst reden: mir ist es nicht gelungen, dich davon zu überzeugen, dass du dich freiwillig anziehst..."

"Ein No-Go is z.B. zu sagen, 'du bist unmöglich'. Das ist abwertend. Kinder sind offen und daher verwundbar. Warum haben wir als Erwachsene Angst? Weil wir als Kinder so oft verletzt wurden."

"Man darf als Eltern durchaus Weinen, Schreien, Toben. Man darf das Kind nur nicht verletzen und kränken. Neoromantiker glauben, ihre Gefühle schaden dem Kind. Aber die Abwesenheit von Gefühlen schadet dem Kind!"

Quintessenz:
"Wenn wir eine Beziehung haben, gegenseitigen Respekt und eine gemeinsame Sprache, können wir über alle Ängste, Sorgen und Widerstände miteinander reden..."

Mittwoch, 2. März 2011

Korrekt: Ich korrigiere nicht (mehr)

Mellys Zimmer darf auch unordentlich sein
Na ja, so ganz kann ich das natürlich nicht ausschließen. Aber es stimmt schon: Ich habe unlängst das erste Mal bewusst Melly NICHT mehr korrigiert - was ich vor dieser Entscheidung sehr wohl immer und immer wieder gemacht hab. Sie durfte also ihre Traubenkerne auf den Tisch legen, obwohl es mir lieber gewesen wäre, sie hätte sie auf eine kleine Untertasse gelegt, die dafür extra bereit stand. Klingt vielleicht lachhaft, aber für mich war's ein Durchbruch. Ich wurde durch die Montessori-Pädagogen damit konfrontiert: Dort werden die Kinder beim Spielen mit dem Montessori-Material ebenfalls nicht korrigiert. Auch, wenn das vielleicht was anderes ist, aber mir wurde klar, wie sehr ich es selbst verabscheute als Kind, ständig ermahnt zu werden. Und wie wenig ich damit bei Melly erreiche. Es dient ganz oft nur der Befriedigung meines eigenen Perfektionismus'. Man muss natürlich die einzelnen Situationen abwägen. Aber generell tut es mir gut, auch mal über Kleinigkeiten, die mich stören hinwegzusehen.