Freitag, 22. Juni 2012

Widerstand mit Ansage

Nichts wird von Kindern so gerne über den Haufen geworfen wie die Erwartungen der Eltern. So ist jedenfalls meine Erfahrung. So wollte ich vergangenen Mittwoch wie üblich mit Melly morgens in die Kindergruppe. Doch Melly wollte nicht, weinte sich die Augen nach ihrer Mutter aus dem Kopf und ließ sich vom Papa überhaupt nicht trösten. Solange, bis ich zustimmte, mit ihr die Mama abzuholen.

Kindergartenstreik ist kein böser Wille 

 

Es ist zwar nicht das erste Mal, dass sich Melly weigerte, ins Kinderhaus zu gehen. Aber immerhin ist sie nun bald 3 3/4 Jahre alt und das letzte Mal liegt schon eine ganze Weile zurück. Ich war also fassungslos, doch langsam spürte ich, dass sie wirklich die Nähe und den Zuspruch ihrer Mutter brauchte. Das lag einmal an der unglücklichen zeitlichen Struktur des Vortags, an dem ich mit ihr viel zu lange im Freibad geblieben war und Mellys Mama erst sehr spät nachhause kam - was zu größerem Schlafdefizit bei Melly führte.

Kinder sind kompetent - auch mit drei Jahren

 

Zum anderen lag es am aktuellen Nähe- und Sicherheitsbedürfnis, das zurzeit mal wieder sehr ausgeprägt ist. Später hab ich dann von meiner Frau erfahren, dass sie so etwas schon im Gefühl hatte. Schließlich hatte Melly am Vorabend klipp und klar gesagt, sie wolle am nächsten Tag nicht ins Kinderhaus und die Mama solle bitte auch zuhause bleiben. Ein Widerstand mit Ansage!

Am Abend gab Melly ein Versprechen, am nächsten Tag früher aufzustehen und "natürlich" wieder in die Kindergruppe gehen zu wollen. Und genauso war es dann auch... Mir hat es mal wieder gezeigt, wie kompetent eine Dreijährige schon sein kann - und wie falsch ich oft mit meinen Einschätzungen der jeweiligen Situation liegen kann. Und dass eine Dreihährige auch durchaus noch mal einen Tag von der Kindergruppe zuhause bleiben darf...

Kooperation ohne Zwang oder Druck

 

Ein weiteres kurzes Beispiel: Mellys gleichaltrige Freundin Anne kam zu Besuch. Zunächst war Melly eifersüchtig, klammerte sich an ihrer Mama und brachte ihr Kinderspielzeug "in Sicherheit". Doch als die Mama sie ernst nahm, sich eine Zeitlang mit ihr allein beschäftigte (während ich mit Anne spielte), war dann alles gut und die nächsten Stunden spielten beide harmonisch und freundschaftlich zusammen. Das hätte ich nicht erwartet, aus meiner Sicht war Melly egoistisch und ich wollte sie schon harsch zurechtweisen. Doch das hätte womöglich dazu geführt, dass es Annes letzter Besuch gewesen wäre...

Sonntag, 10. Juni 2012

Nicht beschämen, nicht kritsieren, sondern: LOBEN

Nicht beschämen? Ein Zauberwort für alle, die achtsam mit ihren Mitmenschen umgehen möchten. Sind wir als Kinder nicht auch von unseren Eltern hier und da beschämt worden, z.B. weil wir - obwohl "schon" in der Schule - mal in die Hose machten? Eine Rüge mit der Wortspitze "Dafür bist du doch schon zu alt, das machen doch nur Babys" kann tiefe Wunden reißen. Ich glaube, die meisten wissen, wovon ich spreche. Trotzdem hab ich denselben Fehler auch bei Melly (3 1/2 Jahre alt) gemacht. Sie ist im Grunde seit ihrem 2. Geburtstag trocken und geht auf den Topf, inzwischen hat sie nur noch selten "Rückfälle", in denen sie neben den Topf pinkelt.

Natürliches vs. erzwungenes Trockenwerden 

 

Als dies mal wieder geschah, nachdem sie kurz vorher erfolgreich in großes "Ei" gelegt hatte und für mich kein Grund ersichtlich war, warum sie nun nicht gleich auch die Pullerei dort erledigte, fing ich mit genervtem Unterton mein Verhör an: "Warum hast du das gemacht..." - Traurige Antwort: "Ich konnte es nicht mehr halten." Ich wieder: "Aber du hättest doch, und außerdem machen nur Kleinkinder... bla bla". Und ich bekam das untrüglich Gefühl: Nun hast du deine Tochter beschämt. Sie ist doch erst drei, überleg mal. Andere Kinder sind bis übers vierte Lebensjahr noch nicht mal trocken...
Nun war ich es, der sich schämte... und beim nächsten Mal sagte: "Kann doch jedem Mal passieren." Das kam deutlich besser an:)

Alles hat seine Zeit

 

In meiner Vorstellung müsste meine Drei(einhalb)jährige längst schon richtig gut zeichnen können. Tatsächlich aber krakelt sie mit ihren Buntstiften so vor sich hin, plappert Geschichten dazu, was sie in ihren wilden Schnittmusterbögen so alles erkennt. Das ist süß, ohne Frage, und kostete jede Menge Stifte das Leben. Laufend brechen die Spitzen ab - kein Wunder, denn sie hat eine sehr individuelle Art, den Stift zu halten. Ich (der Papa) kann selbst eigentlich auch nicht gut zeichnen und fühl mich bei allen Dingen, für die es eine gewisse manuelle Geschicklichkeit braucht, eher minderbegabt. Und doch lasse ich mich immer wieder dazu hinreißen, Melly zu korrigieren: "Halte den Stift doch mal so...", "Schau mal, wie ich das mache...", "Kein Wunder, dass die Stifte abbrechen, wenn...", "Wenn du so ausmalen würdest, kämst du nicht immer über die Linien...".

Kritik und Korrektur erstickt die Freude 

 

Melly reagiert glücklicherweise sehr gelassen auf meine Ideen. Nämlich meistens gar nicht. Und wenn doch, dann merke ich, dass es einfach noch nicht klappt - und das frustriert sie. Und es nimmt ihr auf Dauer die Freude am Malen und Zeichnen. Ja, so musste ich feststellen: Alles hat seine Zeit, und wenn die Zeit für Melly reif ist, dann wird sie wissen, wie man einen Stift hält. Genauso, wie sie jetzt weiß, wie man schaukelt. Sie hat einfach lange genug bei anderen zugeschaut...