Sonntag, 10. Juni 2012

Nicht beschämen, nicht kritsieren, sondern: LOBEN

Nicht beschämen? Ein Zauberwort für alle, die achtsam mit ihren Mitmenschen umgehen möchten. Sind wir als Kinder nicht auch von unseren Eltern hier und da beschämt worden, z.B. weil wir - obwohl "schon" in der Schule - mal in die Hose machten? Eine Rüge mit der Wortspitze "Dafür bist du doch schon zu alt, das machen doch nur Babys" kann tiefe Wunden reißen. Ich glaube, die meisten wissen, wovon ich spreche. Trotzdem hab ich denselben Fehler auch bei Melly (3 1/2 Jahre alt) gemacht. Sie ist im Grunde seit ihrem 2. Geburtstag trocken und geht auf den Topf, inzwischen hat sie nur noch selten "Rückfälle", in denen sie neben den Topf pinkelt.

Natürliches vs. erzwungenes Trockenwerden 

 

Als dies mal wieder geschah, nachdem sie kurz vorher erfolgreich in großes "Ei" gelegt hatte und für mich kein Grund ersichtlich war, warum sie nun nicht gleich auch die Pullerei dort erledigte, fing ich mit genervtem Unterton mein Verhör an: "Warum hast du das gemacht..." - Traurige Antwort: "Ich konnte es nicht mehr halten." Ich wieder: "Aber du hättest doch, und außerdem machen nur Kleinkinder... bla bla". Und ich bekam das untrüglich Gefühl: Nun hast du deine Tochter beschämt. Sie ist doch erst drei, überleg mal. Andere Kinder sind bis übers vierte Lebensjahr noch nicht mal trocken...
Nun war ich es, der sich schämte... und beim nächsten Mal sagte: "Kann doch jedem Mal passieren." Das kam deutlich besser an:)

Alles hat seine Zeit

 

In meiner Vorstellung müsste meine Drei(einhalb)jährige längst schon richtig gut zeichnen können. Tatsächlich aber krakelt sie mit ihren Buntstiften so vor sich hin, plappert Geschichten dazu, was sie in ihren wilden Schnittmusterbögen so alles erkennt. Das ist süß, ohne Frage, und kostete jede Menge Stifte das Leben. Laufend brechen die Spitzen ab - kein Wunder, denn sie hat eine sehr individuelle Art, den Stift zu halten. Ich (der Papa) kann selbst eigentlich auch nicht gut zeichnen und fühl mich bei allen Dingen, für die es eine gewisse manuelle Geschicklichkeit braucht, eher minderbegabt. Und doch lasse ich mich immer wieder dazu hinreißen, Melly zu korrigieren: "Halte den Stift doch mal so...", "Schau mal, wie ich das mache...", "Kein Wunder, dass die Stifte abbrechen, wenn...", "Wenn du so ausmalen würdest, kämst du nicht immer über die Linien...".

Kritik und Korrektur erstickt die Freude 

 

Melly reagiert glücklicherweise sehr gelassen auf meine Ideen. Nämlich meistens gar nicht. Und wenn doch, dann merke ich, dass es einfach noch nicht klappt - und das frustriert sie. Und es nimmt ihr auf Dauer die Freude am Malen und Zeichnen. Ja, so musste ich feststellen: Alles hat seine Zeit, und wenn die Zeit für Melly reif ist, dann wird sie wissen, wie man einen Stift hält. Genauso, wie sie jetzt weiß, wie man schaukelt. Sie hat einfach lange genug bei anderen zugeschaut...

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