Mittwoch, 19. Januar 2011

Erkennen, was Sache ist - nicht gleich urteilen

Eine Kinderseele zu verstehen erscheint mir äußerst schwierig - und ich bin sicher, ich stehe damit nicht allein. Man kann und sollte sogar sein Kind immer besser kennenlernen, aber es ist und bleibt ein Geheimnis des Lebens, warum der Erwachsene so ganz anders denkt, fühlt und handelt wie ein Kind. Obwohl er doch selbst mal eines war. Mit zunehmendem Alter (des Nachwuchses) wird das sicher etwas einfacher, aber eine Zweijährige ist so vollkommen in ihrer eigenen Welt und noch so unbelastet von schädlichen Einflüssen, dass selbst der Weltmeister der Intuition scheitern wird, wenn er glaubt, immer sofort zu wissen, was ein Kind denkt oder warum es wie handelt.
Zurück zum Leben: Seit dem wir von Mellys Großeltern zurück sind, ist alles wieder anders: keine feste Struktur, keine festen Zeiten, kein festes Zubettgehen, keine feste Mittagsschlafzeit - und mit der Sauberkeit ist es auch nicht mehr weit her. Das war in den Weihnachtsferien völlig anders: Melly hat in den neun Urlaubstagen nicht einmal auf den Teppich gepullert (Windeln trägt sie schon seit einem Jahr nicht mehr), nicht einmal ins Bett, nicht einmal in die Hose (wenn sie denn eine anhatte) - sondern ging ausnahmslos und selbständig auf Töpfchen. Und mit Oma sogar einmal auf die Toilette. Das das scheint Jahrzehnte her zu sein.
Die noch fehlenden vier Backenzähne malträtieren Körper, Seele und Geist unserer kleinen Familie - nicht immer, aber immer öfter. Kein Zubettgehen vor 23 Uhr, kein Aufwachen vor 10 Uhr, kein Mittagsschlaf vor 14 Uhr. Und der Gang aufs Töpchen wurde mehr und mehr zur Ausnahme. Ob's nur die Zähne sind? Wer weiß. Aber ich hüte mich vor voreiligem Urteilen. Erst gestern wurde ich zeuge, wie Melly versucht hat, im Stehen ins Töpfchen zu pullern. Ich hielt es erst für Zufall, da sie praktisch über den Topf stolperte. Doch Melly sagte: "Papa im Stehen pullern...". Da wurde mir klar, dass sie mich einfach nur imitiert - und deshalb häufig zuhause im Stehen Pipi macht. Leider nicht immer in den Topf.
Wenn du zornig bist, setzt Liebe dagegen
Apropos Imitation: Gefreut hab ich mich heute über einen Ausruf von Melly, der sonst eher von meiner Frau kommt: "Danke, Papa!", sagte sie liebevoll, als ich ihr etwas aufhob und brachte. Ich war - nein, bin gerührt. Denn das "Danke" kam so ganz aus dem Herzen... und das entschädigt für vieles.

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