Samstag, 15. Januar 2011

Schlafen gehen

Der dänische Autor Jesper Juul ist der Ansicht, das Kind an sich ist vollständig kompetent - auch wenn wir Erwachsenen das nicht glauben wollen. Unsere Erinnerung an diese Zeit ist ja leider vollständig ausgelöscht, sonst wüssten wir, dass wir auch gerne selbst entschieden hätten, wann wir schlafen, essen und uns anziehen wollen.

Schlaf und Müdigkeit kommt von alleine

In Mellys Fall bedeutete und bedeutet das: Wenn kein Zahn kommt, ist es ein halbwegs praktischer Rhythmus - ein bis zwei Stunden Mittagschlaf ab 13 Uhr, zu Bett gegen 21 Uhr, Schlafen bis um acht. Nur leider gab es in den vergangenen zwei Jahren gefühlte 21 Monate, in denen mindestens ein Zahn von unten anschob und Melly aus ihrem gesunden Schlafrhythmus brachte. Womit es um unsere (bzw. vor allem meine) Geduld geschehen war. Denn aus 21 Uhr wurde schnell 23 oder 24 Uhr, so manches Mal bin ich um Mitternacht mit Melly im Tragetuch losgezuckelt, bis um halb halb eins Schlaflieder singend ums Haus gelatscht, Traumsand pustend an den geliebten Hasen vorbei. So hat sie dann aber auch als erstes Schlaflieder gelernt, "Schlaf Kindchen Schlaf" oder "Leise Peterle leise".
"Behütet" - F: Grace Winter (Pixelio)

Die Alternative wäre gewesen, sie beizeiten ins Bett zu stecken, womöglich noch ihr eigenes, und sie schreien zu lassen. Doch das kannte ich zumindest aus eigener leidvoller Erfahrung und kam schon deshalb für mich nicht in Frage. Ein Kind schreiben zu lassen - wozu soll das dienen? Zur Abhärtung? Vielleicht, aber wir bringen es nicht über uns und haben gemerkt: Es geht auch ohne Zwang.

Momentan allerdings noch mit dem Wermutstropfen, dass sie nur mit Hilfe von Ramonas Brust oder dem Tragetuch einschläft - und das in unserem Bett. Also auch Langzeitstillen und -Familienbett gehört zu unserem Erziehungskonzept. Aber davon später mehr...

12. Januar:
Aus aktuellem Anlass sei hier eine Episode erwähnt, die zeigt, wie man es nicht machen soll: Meine Frau wollte heute am frühen Nachmittag einen Zahnarzttermin in München wahrnehmen. Wir haben versucht, Melly so rechtzeitig wie möglich darauf vorzubereiten, dem Anlass bzw. der unsicheren Planung entsprechend war das leider nur gut eine Stunde vorher. Melly sollte mitkommen, da sie aufgrund akuter Zahnungsbeschwerden morgens bis um halb elf Uhr geschlafen hatte und nicht mehr vorher ihren Mittagsschlaf machen konnte. Der Plan war: sie sollte im Auto schlafen, da wäre sie bei Mama, könnte zwischendurch mal an der Brust nuckeln und ich könnte im Auto weiterschlafen, während Ramona ihren Termin wahrnimmt. Um es vorweg zu nehmen: Es hat nicht geklappt. Sie war innerlich nicht bereit, wollte zwar einerseits mitkommen, um uns den Gefallen zu tun, spürte aber, dass ihr Bedürfnis ein anderes war: Mit Mama ins Bettchen gehen, um dort an der Brust einzuschlafen.
Inzwischen war ich aber so ungeduldig geworden, dass ich sie bei geöffneter Haustüre anbrüllte - etwas, was unsere Tochter gar nicht gerne mag, insbesondere, wenn sie zahnt, bedürftig und müde ist. Die Folge war fast so etwas wie ein hysterischer Anfall mit panischem Weinen und einer völlig aus ihrer Mitte entrückten Zweijährigen, die ihr akutes Bedürfnis nach Nähe, Kuscheln und  Schlafen akut bedroht sah.
Dies alles wurde mir bzw. uns auch erst NACHHER bewusst, immerhin konnte Melly dann mit ihrer Mama recht schnell einschlafen. Ramona kam dadurch zwar etwas später weg bzw. etwas zu spät zum Zahnarzt - aber trotzdem muss man her sagen: Ende gut, alles gut.
Was hätten wir besser machen können? Nun, wir lernen unsere Tochter immer besser kennen und wissen oft schon, was ihr Bedürfnis ist - aber leider eben nicht immer. Da müssen wir dran bleiben - und auch dafür beten, denn man kann von einer Zweijährigen noch nicht erwarten, dass sie in nächster Zeit ihre Bedürfnisse zuverlässig und berechenbar aussprechen kann, obwohl auch das schon ab und zu ganz gut klappt. Nein, ein Kind unter fünf Jahren ist ganz gewiss noch nicht berechenbar (evtl. mit Aussage v. Montessori belegen) und man muss auf alles gefasst sein.
Zwei Dinge fallen mit spontan ein: Das erste ist klar - ein Wutausbruch von Papa ist nie fruchtbar und führt auch nie zum gewünschten Ergebnis. Es sei denn, man wendet akuten Zwang an und setzt seine überlegene körperliche Kraft ein. (Da braucht es weiterhin viel Gebet und Nachsicht - mit mir selbst)
Stattdessen ist in heiklen Situationen Geduld und Einfühlungsvermögen gefragt. Wenn bis zum Schluss nicht klar ist, was das Kind braucht und möchte - denn es hat die Kompetenz zu wissen bzw. spüren, was es will und vor allem auch, was nicht - dann muss man es mit der Konsequenz seiner Entscheidung in Ruhe konfrontieren. In diesem Fall: "Wenn du jetzt nicht mitkommem willst, dann fährt die Mama alleine zum Zahnarzt. Wenn du jetzt mitkommst, kannst du mit Mama im Auto schlafen." Nun kennt sie intuitiv die weiteren Konsequenzen: Bleibe ich hier, kann ich nicht mit Mama ins Bettchen, um meinen Mittagsschlaf zu machen. Die Entscheidung liegt beim Kind - das ist das Entscheidende.
Fährt sie mit - gut. Fährt sie nicht mit, muss Papa mit der Situation zurandekommen. Es gibt schließlich das Tragetuch, und mit ein paar Tränen Mellys bin ich allemal schon klar gekommen. Dieses Mal hatten uns leider die Furcht vor meinem maladen Rücken und die Bedenken wegen ihrer Bedürftigkeit die innere Sicherheit geraubt. Das wird uns hoffentlich nicht so schnell noch mal passieren.

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